Margarete Hohner

Zwischen 7 Monate und über 90 Jahre

4.03.2017 23:27 2 Kommentare

Letzten Freitag, so gegen Mittag, sitze ich mittags in der Küche und füttere ein 7 monatiges Baby langsam mit dem Löffel.
Es befindet sich mehr rund um seinem Mund als darin .
Der Kleine plauscht dabei unverständliche Laute und mein gesamtes System spürt nur Liebe zu diesem gesamten Wesen samt genau diesem Moment, diesem Tag, diesem Leben – in solchen Augenblicken – hm, wie kann ich es beschreiben – dehn ich mich in die Welt, denn da wird mir noch tiefer vieles bewusst, läuft in Sekundenschnelle ein Gefühl in mir, das mich wie ein Strom durchflutet, in diesen Momenten laufen tausende Bilder in mir durch und mein Herz wird sowas von weit.
Und das Ganze lässt mich immer wacher und glücklicher werden.

Nein, nicht dieses „duziduzi“ Glück, sondern eine festes JA-Gefühl zum Leben. Und wieder und wieder und wieder.

Dem allen folgt – alles ohne tatsächlichem Zeitgefühl, weil ich das nicht mehr habe, es ist alles einfach eine Aneinanderreihung an durch mich wahrgenommenen Ereignissen in (m)einem Orbit – bin ich im Wald, bügle die Wäsche, sortiere die Kästen aus, mache die Betten, lache mit Thomas, rede mit Töchtern, arbeite in der Ordination in Linz und viele kilometer weiter in der Steiermark mit vielen Menschen, tiefe Gespräche mit Chef, habe 12 Stunden-dienste und falle auch genau damit spät Mitternachts glücklich ins Bett, nehme an großen langen intensiven Besprechung mit unserer Trommelgruppe teil, entdecke immer wieder mal blinden Fleck in mir, justiere meine Gedanken in Eilesschnelle, damit die Taten prompt folgen können, packe meine Stöcke und walke wieder kilometerweiter Richtung Sonne und auch durch den Regen, trinke Kaffee, Tee, Wasser, esse, dusche, führe Coachinggespräche bei Kerzenlicht, besuche Bergfilmfestival und staune über diesen genialen Lebensfreak voller Freude, mache wacklig Yogaübungen im Bad, Zähneputzen mit Heilerde, beobachte Wolken, bete bittend und dankend, koche, lache, weine, gehe und gehe und gehe.

Folge meinen innersten Sehnsüchten während ich tue was ich tun kann und will und muss. Was das Leben an mich heranträgt.

Wir begegnen uns tagtäglich in so vielen Gesichtern.

Diesen, Freitag, so gegen Mittag sitze ich mittags im Altenheim und gebe Essen (hier sagt man nicht füttern) einer 90 jährigen bettlägrigen dementkranken Dame ein.
Es befindet sich mehr rund um Ihren Mund als darin 😉 . Die Dame plauscht dabei unverständliche Laute und mein gesamtes System spürt nur Liebe zu diesem gesamten Wesen samt genau diesem Moment, diesem Tag, diesem Leben…
jetzt könnt ich wieder von vorne mit den Erzählungen beginnen…

Das ist (m)ein Leben.

UND: ich habe Null Ahnung wo diese Liebe, dieser Strom tatsächlich beginnt oder endet und ich bezweifle inzwischen sogar, dass glücklichsein immer mit lachen oder wohlfühlen verbunden sein muss. Es entsteht genau dazwischen. Zwischen ALLEDEM.

Es ist nix anders als dieses „Ja“. ich bin da. Ich bin bereit.
Und durch tiefe Kontakte mit den „anderen“ rutscht alles noch mal tiefer und intensiver in mein Bewusstsein.

Und ich bin mittendrin ein Teil davon samt dem davor, danach, dazwischen und währenddessen.

In Liebe und Dankbarkeit für (m)ein, dieses Leben, Margarete 

2 Kommentare

helga fochler
5.03.2017 13:19

Liebe Margarete Deine Zeilen wirken tief!! In Dankbarkeit Helga

Heidrun
5.03.2017 14:50

Wunderbar - ein Weckruf. Danke, danke, danke

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