Gottesdienst im Wald
Ok, sage ich, doch ich gehe heute in den Wald. „Wenn du magst, dann geh mit“.
Wir gingen los.
Weißt du, der Moment, beim Reingehen in einen Wald – der ist heilig.
Ich trete da ein wie in eine Kirche, in eine Moschee, in einen Satsangraum oder sonst eine heilige Stätte. Werde ganz demütig, still und das Herz geht auf.
Jedenfalls geht nun da diese Frau hinter mir.
Um mir diesen heiligen Moment nicht sofort durch Worte zerstören zu lassen, ging ich erst mal vor.
Und ließ mich voll auf den Wald ein. Es ist wie eine Begrüßung ,wie ein Lächeln von oben. Er/sie/es breitete seine Arme aus und nun darf alles geschehen, was zu geschehen ist.
Ich begrüße ihn innerlich, inhalierte dieses was grad war und schaue dann auf diese Frau….
die mit mit zusammengepressten Lippen und heftiger Stirnfalte hinter mir geht.
Ich geh zu ihr.
Sie beginnt sofort zu reden.
Bei den ersten Worten schon merkte ich, dass es die gleichen Worte sind wie immer. Es geht um einen Mann. Immer das gleiche Thema, nur der Name wechselt.
Ich hatte null Bock auf Reden und machte folgendes:
Ich ging ganz ruhig neben ihr, es fühlte sich an als ob eine total zusammengezogene Kugel neben mir rollt. Kein wahrhaftiges Wesen, nur ein kontrahiertes Gefühl. Mir tat das kurz weh, denn ich kenne diese Frau schon viele Jahre.
Sie ist eine gute Frau, ein liebevolles Wesen, eine gebende und liebende Person, doch sobald Männer auf der Matte stehen, beginnt jedesmal das Leid von vorne.
Ich begann einfach wieder schneller zu gehen, mich einfach von ihr zu entfernen.
So gingen wir – getrennt – ca. eine Stunde. Dann blieb ich stehen und wir setzten uns auf Baumstämme.
„Verstehst du mich wenigstens?“ fragt sie mich bittend.
„Darum gehts nicht, ob ich dich verstehe.“
„Es geht mir so schlecht, ich bin so traurig, direkt depressiv, das tut mir alles so weh“.
„Ja“, sag ich.
„Lass es mal weh tun. Lass dich mal traurig sein. Lass es mich nicht wieder und wieder wegmachen versuchen. Und vertrau mal bitte dem Wald. Lass alles da was grad ist. Jedes Scheiß-Gefühl, will es mal nicht weghaben.“
Wir gingen weiter.
Es ist eine Gewohnheit von mir, gerne neue Wege zu gehen, die ich noch nicht genau kenne. Da keimt ein kleines Abenteuergefühl in mir auf.
Und so kam es – wieder mal – dass ich mich verirrte, was ich ihr jedoch nicht erzählte. Sie ging nun dahin und dahin.
Wir gingen über Stock und Stein, es war so wunderschön, die Sonne schien immer schräger in den Wald rein.
Mal ging ich hinter ihr, dann wieder vor ihr. Nahm sie oft gar nicht mehr wahr.
Es war so ein Zauber da.
Welch ein Geschenk, welch ein Gottesdienst hier im Wald immer wieder in Stille vollbracht wird.
Jedenfalls gingen wir im Endeffekt 4 Stunden, es brauchte wohl diese Zeit.
Und danach sagte sie mir, jetzt geht es mir gut. Nicht gut, im Sinne von fröhlich, doch ich bin leer, sagt sie.
Sie hat normalerweise Gelenksbeschwerden, die die ganze Zeit weg waren, sagte sie erstaunt und sie weiß gar nicht, wie sie so lange hatte gehen können, sie geht nie im Wald, dachte nicht dass es lange wird und die Sache mit diesem Mann kam ihr plötzlich direkt lächerlich vor.
Und ich dankte Gott Wald wieder mal aus tiefstem Herzen, wie er/sie/es für und mit und durch uns wirkt.