Margarete Hohner

23.03.2020 Auszeit – ich schreibe einfach mal

24.03.2020 8:51 keine Kommentare

23.03.2020/8:39 Uhr
Es fühlt sich nach mehr Zeit an.

Heute Morgen hab ich folgendes gehört….:

Amseln, einen Specht, Tauben, die Kirchenglocken und nur ein einziges Auto.
Den Geschirrspüler in der Küche und die Waschmaschine im Bad.

Thomas ist schon wieder fleißig. Er ist so ein Macher.
Frühmorgens bis spätabends.
Neben ihm habe ich oft das Gefühl zu wenig zu tun.
Doch ich gebe mein Bestes.

In mir entschleunigt sich Alles. Ich schlafe wieder ruhiger.

Vieles kristallisiert sich neu heraus.
Werte werden in solchen Zeiten sichtbar.

Gehe jetzt online in den Dienst. Mein Chef hat ein neues Video mit Übungen um fit zu bleiben gedreht. Ich liebe seine home-Videos.

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23.03.2020/ 23:48 Uhr
Online zu arbeiten und nur per video-call zu kommunizieren, ist organisatorisch eine neue Herausforderung.
Aber wir schaffen das. Wir wollten das eh schon länger tun.
Jetzt sind wir gezwungen neues zu lernen.

Spätnachmittags bin ich in unsere Ordination gefahren, da ich einige Dinge dort zu erledigen hatte und wusste, dass sonst niemand dort sein wird.

Ich kam mir vor, als ob ich was Verbotenes tat. Die Straßen sind leer. In den Bussen, die nur mehr selten fahren, sitzen maximal 2 Personen.

Als ich am 12.3. die Ordination verließ, war ich im Glauben, 3 Tage darauf im Spital wegen einer kleinen OP zu liegen.

Kurz darauf ergab sich alles anders. Keine kleineOP, dafür eine große Viruspandemie.

Heute hätte ich planmäßig wieder zu arbeiten begonnen – und – heute stehe ich ganz allein in der Ordination.
Weil wir uns nicht begegnen dürfen.

Der leere Küchentisch, an dem wir immer mittags gemeinsam unser gutes Essen, unsere Weisheiten, Ideen, u.v.m. austauschen.
Jeden Tag frühmorgens machte der Chef Gemüsesuppe für uns alle.

Die Kerze steht dort, die wir immer brennen haben und die uns oft zum Zentrieren half, wenn es drunter und drüber ging.

Die „Dienstschuhe“ von den Ärzten stehen so dort, als ob jeden Moment jemand reinschlüpft.

Da wir keine Notfallmedizin sind, werden keine persönlichen Beratung mehr gemacht. Nur mehr schriftlich oder per Telefon/Skype.
Wir arbeiten von Linz, Salzburg und Niederösterreich aus.

Ich liebe unser Team so sehr. Unsere Verschiedenheit, die sich perfekt ergänzt.

Heute wäre wieder full House gewesen und abends ein Vortrag.

Und es ist heute komplett still hier.

Ich gieße die Blumen, die Kaffeemaschine ist zerlegt.

Sogar die Lichter draußen am Parkplatz sind abgedreht.

Mit dem Apotheker, mit dem wir zusammenarbeiten, hab ich durch die „Notfall-Durchreiche“ mit Entfernung gesprochen.
Wir kamen uns beide dabei komisch vor.

Beim Rausgehen aus der Ordination war es, als ob ich in irgendeinem abgelegenem Viertel bin, weil kein Auto fuhr und kein einziger Mensch zu sehen war. Dabei liegen wir an stark befahrenen Straße und einem voll belebtem Viertel.

Nichts ist mehr wie es war.

Vor der geplanten OP bin ich durch die Räume gegangen mit dem Gedanken, was, wenn ich aus der Narkose nicht mehr aufwache.

Und jetzt ist es so, dass ich mich frage, ob ich vielleicht doch unter Narkose stehe und einfach alles nur träume.

Es riecht nach Fragen und nach Chancen.

Gute Nacht, liebes Leben, lieber Gott.
Beschütze uns.

Was denkst du?