Margarete Hohner

Schwesternbrief an Amadea vom 12.01.2020

12.01.2020 21:57 keine Kommentare

🌹SCHWESTERNBRIEFE
12. Januar 2020

„Die Welt ist nicht da, um verbessert zu werden.
Auch ihr seid nicht da, um verbessert zu werden.
Ihr seid aber da, um ihr selbst zu sein, damit die Welt um diesen Klang, um diesen Ton, um diesen Schatten reicher sei.“
Hermann Hesse

Liebste Amadea!

Ich glaube, es hilft es am meisten, die Dinge einfach so sein zu lassen wie sie sind.
Es auszuhalten.
Mich selbst auszuhalten.
So wie ich bin.
So wie ich mich fühle.
So wie ich aussehe.
So wie ich tue oder auch nicht tue.

Keine Fassade aufsetzen.
Kein Verwirrspiel.
Kein Happy-Grinsen, wenn es innen drinnen nach Schmerz sticht.

Wie soll das Leben/Gott/Engel/wer auch immer/ mir wahrlich antworten können, wenn ich nicht wahrhaftig bin?

Und zugleich kein Drama, denn
es ist alles nur das Leben.
Keine Minute gleicht der Anderen.
Keine Minute bin ich die gleiche.

Seit den Rauhnächten räume ich nonstop meinen Raum um. Es geht zwar nur langsam voran, doch es braucht wohl die Zeit dafür. Ich stelle um, dekoriere um, sortiere aus, werfe weg, zünde viele Kerzen an und verwende Räucherwerk.

Heute habe ich meinen Altar neu aufgestellt und das zelebriert. Meine Murtis, die heiligen Bilder aus Indien, die ich von einer ganz wunderbaren Frau bekommen habe, meine geliebte Marienstatue haben wieder in meinem Raum Einzug gehalten.
Durch das neue Regal, musste der alte weg. Erst heute ist mir aufgefallen, wie sehr mir dieser Platz des inneren Friedens, meine kleine Kirche gefehlt hat.
Hier ist es als ob ich IN mich sehe, dorthin wo alles in perfekter Ordnung ist. Dorthin wo es ruhig ist, warm und geborgen. Friede. Liebe.
Es flackern hier Kerzen und duftet Räucherwerk.
Ein kleines Fest der Innerlichkeit, das mich glücklich stimmt.
Das mich zufrieden und satt macht.

**

Nachmittag war ich mit Thomas im Nebel am See spazieren. Obwohl zu Hause die warme Gemütlichkeit so einen Widerstand gegen das Nebelige draußen aufbauen wollte, ging ich raus.
Und gut war es.
Die kühle Luft im Gesicht, der Nebel am See, die vielen Enten die nur leise Geräusche von sich gaben, im Hintergrund vernahm ich einen Zug (du weißt,ich liebe Züge) und das Sehen und Hören meines Atems, das Spüren meines Körpers, es tat alles so gut.
Wie ein kleines Kind auf Entdeckungsreise habe ich mich gefühlt.
Immer wieder bemerke ich, wie gut es ist, einfach Widerstände abzubauen und der tieferen Stimme in mir zu lauschen.

Es braucht kein Tschaka Tschaka Brimbamborium mehr.
Immer mehr merke ich, dass es meine innere Ausrichtung ist, die einen Unterschied macht.
Wenn ich keine Vorstellung davon habe, wie etwas sein muss. Nicht einmal, wie es mir gehen muss, dann ist es gut.

Einfach die Wahrheit zu fühlen, zu sprechen und zu leben.
So gut ich es halt kann.

Einfach was ist.

Und heute schmeckt es nach Frieden. Auch jetzt gerade, während ich hier sitze, neben mir flackern am Altar und vor mir am Fenster die Kerzen, draußen ist es schon ganz dunkel, es duftet nach Räucherwerk, ich trinke immer wieder gutes heißes Wasser und weiß nicht, was jetzt – in diesem Moment – gerade anders sein sollte.

Naja, wenn du hier wärst, wäre es geteilte Freude.
Aber so habe ich dir geschrieben, ist auch ein bisschen teilen.
Ein ganz einfacher Tag.
Und es ist gut so.

Dankbar, dass es dich in meinem Leben gibt, liebste Amadea Ehi
Ich umarme dich von Herzen , Margarete

Was denkst du?