Margarete Hohner

Schwesternbriefe Amadea/Margarete 3. – 4.10.2020

6.10.2020 13:36 keine Kommentare

SCHWESTERNBRIEFE

  1. Oktober 2020

 

 

Liebste Margarete,

Ich vermisse uns!

Ich mag den Austausch unserer Gedanken, unserer Ideen und Träume.

 

Durch die momentane Situation im Aussen sind wir alle mehr bei uns selbst. Es ist nichts mehr so wie es war.

Wir begegnen uns alle mit grösster Vorsicht. Tasten uns an die Ansichten unserer Gegenüber heran.

Oft bin ich erstaunt, dass genau die Menschen, von denen ich dachte, sie handeln aus ihrem Wissen und Gewissen, die Angepasstesten sind.

Das macht mich traurig und ich ziehe mich zurück. Ich möchte ja niemandem meine Wahrheit aufzwingen.

 

Ja, so werden Familie und gleichgesinnte Freunde immer wichtiger.

Ich bin täglich im Wald und geniesse die Vollkommenheit der Natur. Da ist soviel Schönes.

Ich habe kürzlich eine Herbstgirlande geknüpft und gestern ganz viele Äpfel, die vom Baum im Garten gefallen sind, zu Apfelmus verarbeitet.

Da bin ich ganz bei mir. Sitze am Tisch und freue mich am Duft, der Farbe und der Fülle.

Eine Wohltat!

Da kann ich einfach nur glücklich sein! Ich bin voller Dank, dass Mutter Erde und Vater Himmel uns ihre Gaben einfach so schenken. 12 Gläser Apfelmus…. und in den nächsten Tagen wird es noch mehr.

Letzte Woche hat mir eine Freundin einen riesigen Sack voll Flickwäsche gebracht. Drei Tage lang sass ich daran. Es hat mich so erfüllt diese Textilien wieder in Ordnung zu bringen, Löcher zu stopfen, Nähte , die aufgegangen sind, zu schliessen und Stellen zu verstärken, damit das Kleidungsstück wieder gut hält.

Ich fand es einfach toll, helfen zu können, dass soviel Kleider nicht weg geworfen werden müssen.

Sie hat nochmal soviel und ich freue mich sehr, ihr unter die Arme greifen zu dürfen. Stelle mir vor, wie gut es tut, nicht mehr an den Berg Flickwäsche denken zu müssen.

Was ich in Überfluss habe, ist Zeit. Die nütze ich gerne für sowas.

Heute Morgen habe ich schon eine riesige Patchworkdecke einer Nachbarin umnäht, weil sie an den Kanten aufgelöst war.

Heute Nachmittag gehe ich zum Selbstpflückfeld und ernte Bohnen. Vielleicht fermentieren wir ein paar Gläser voll. Die schmecken Linus und mir sehr gut.

 

Inzwischen ist Samstag…

Linus und ich haben Äpfel gepflückt und aufgelesen. Habe nochmals Apfelmus gekocht und heute möchte ich Kornelkirschen als falsche Oliven einmachen.

Gestern hatte ich Besuch von zwei Kindern, 5 und 8 Jahre alt. Das Mädchen hat eine Wickeltasche für seine Puppe genäht und mit dem kleinen Jungen habe ich Lebkuchen vom Blech gebacken, ein Eichhörnchen genäht und Pommes fürs Mittagessen vorbereitet. Wir haben eine Heissluftfriteuse, die nur ganz wenig Fett braucht. Der kleine sass da und hat zugeschaut, wie sich die Kartoffelstäbchen gedreht haben und knusprig wurden.

Er war so glücklich!

Heute war ich wieder auf dem Markt, habe Spinat gekauft und viele andere leckere Gemüse.

Ich geniesse es sehr, wieder für meine Familie zu kochen. Beide Söhne sind entweder am studieren oder in einem Praktikum und so ist Mama für das Essen zuständig.

Ich komme auch immer mehr ins Vertrauen, dass immer für uns gesorgt ist. Durfte ich diesen Monat ganz stark erleben. Plötzlich kam eine Freundin und brachte mir einen 25kg Sack bestes Biomehl.

Oder, dass mir das Flicken Geld einbringt….

Der Baum, der uns drei Kisten Äpfel und soviel Fallobst schenkt…

Ich bin von einer tiefen Dankbarkeit erfüllt.

Je mehr ich mich so fühle und mich glücklich schätze mit all diesen Segnungen, desto mehr geschieht es.

Es ist wundervoll genau zu dieser Zeit hier zu sein und angstfrei, im Vertrauen, dass alles gut ist, mit jedem Atemzug Liebe einzuatmen und Liebe auszuatmen.

Das ist eigentlich alles….

Ich umarme dich und freue mich riesig von dir zu hören.

Hab dich so lieb!

Amadea

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SCHWESTERNBRIEFE

  1. Oktober 2020

„Und im übrigen lassen Sie sich das Leben geschehen. Glauben Sie mir: das Leben hat recht, auf alle Fälle.“

Rainer Maria Rilke

 

Liebste

Amadea,

mir fällt in letzter Zeit immer verstärkter auf, wie schnell die Dinge passieren, die man denkt. Mit deinem Brief war es auch wieder so. Ich denke und beschließe vorgestern dir wieder zu schreiben, und gestern kam dein Brief.

Ich glaube inzwischen immer mehr, dass „etwas“ uns zuhört, das Leben, Gott, das Universum wie auch immer wir es nennen wollen und es nach deinem Willen geschieht, wenn dieser aus einer wahren Tiefe kommt. Zwar kommt es immer anders als geplant, aber es kommt.

 

Wie freue ich mich, wieder mit dir im Austausch zu sein.

Danke für deine wunderbaren Zeilen, für dein „mich-bei-dir-eintauchen-lassen.“

Da bin ich mit dir Gemüse kaufen, mit dir in der Küche Apfelmus kochen und sitze neben dir und beobachte dich beim Wäsche flicken.

 

Beim Flicken hast du mich auch gleich persönlich etwas „erwischt“. Ich hatte nämlich gestern bemerkt, dass die Socken, die ich anhatte, vorne 2 kleine Löcher hatten und beschloss, diese wegzuwerfen. Jetzt bin ich wirklich am Überlegen, es einmal mit Stopfen zu versuchen, das habe ich seit meiner Schulzeit nicht mehr gemacht. Wir sind so eine Wegwerfgesellschaft geworden.

Naja und gestopfte Socken sind nicht sexy – kommt mir so als erster Satz.

Jedoch – wer sagt das? folgt zugleich.

Ich überlege gerade, dass es mich heute erstaunen würde, wenn ich jemand mit gestopften Socken sehen würde, weil das etwas über den Menschen aussagt, das mir gefällt. (Ich darf auch all meine alten Sätze mal neu überdenken.) Vielleicht gibt es sogar eine lustige Stopfmethode?

hm… ich lass das einfach mal auf mich wirken.

 

Es ist ja auch so, dass immer mehr billiges Material erzeugt wird, das schnell reisst, seicht und löchrig wird, habe ich bemerkt. Weil wir gerne viel und billig kaufen. Inzwischen lege ich beim Einkauf großen Wert auf Material und da kaufe ich nur mehr selten ein, aber dafür gute Qualität.

Es fängt schon beim Konsumieren der Dinge ein.

Was kaufe ich und wieviel kaufe ich?

Wieviel braucht ein einzelner Mensch tatsächlich und was davon macht mich tatsächlich glücklich?

Ich bin ein Second Hand Fan geworden. Trage gerne Kleidung von Freundinnen und gebe auch gerne Kleidung weiter.

 

Ja, dieses Jahr hat Alles verändert und dieser Prozess steht wohl erst zu Beginn, hab ich das Gefühl. Zumindest kann ich das bei mir so beobachten. Ich wurde so auf mich selbst zurückgeschmissen und geprüft, was ich wirklich glaube, von dem was mir „da draußen“ erzählt wird. Welche Stimme davon ist „die meine“?

 

Ich habe fast exzessiv viel gebetet, da ich mit meinem Wissen am Ende war und mich wie erstarrt fühlte.

 

Ich suchte nach Antworten auf Fragen wie – was soll das alles, wer bin ich, was braucht die Erde, was will ich, was brauch ich um auf dieser Welt gut leben und sein zu können mit mir selbst und mit den anderen Menschen, was macht mich glücklich?

 

Und meine eindeutige Antwort war die Natur. Ich bin so oft wie möglich stundenlang im Wald und in der Au unterwegs. Meist streife ich ziellos querfeldein umher.

Davor bin ich oft schon direkt in freudiger Erregung. Habe Momente wo ich überquelle vor Glückseligkeit, ohne dass da etwas ist außer meinem Körper, der Sonne , dem Regen oder den Wolken, der frischen Luft, dem Klang der Vögel oder das Rauschen der Blätter, der Anblick von Bäumen, Pflanzen oder Wasser.

 

Dies alles nimmt von mir, was mich belastet und gibt mir was ich von Natur aus sowieso schon bin und immer war.

 

Ich tauche dann oft so in diese Perfektheit der Welt ein, dass ich manchmal dann direkt erschrecke, wenn ich wieder draußen in der Stadt im Gewusel der Gedankenkreise der Menschheit eintauche.

Je mehr ich in der Natur bin, desto mehr kann ich diese Natur auch in der Stadt sein, merke ich.

Es wäre mein Wunsch, dass die gesamte Menschheit spüren und erfahren könnte, dass in der Natur alle Lösungen enthalten sind.

Doch solange wir in die Einkaufscenter fahren oder sogar auf der Couch sitzend bei Amazon einkaufen, haben wir keine Chance auf diese Erfahrung. Da können wir tausend spirituelle Bücher oder über Bücher der Natur kaufen oder Seminare online buchen, es nützt nix, außer wir tauchen voll ein.

 

Ich hör schon wieder auf damit, meine Neigung die ganze Welt zum Rausgehen animieren zu wollen. Es ist nur so, dass es so einfach wäre, viele Dinge zu lösen.

 

Es kann nach außen hin auch bei mir danach aussehen, dass ich auf Rückzug bin. Doch inzwischen sehe ich es eher als Einzug. Einzug in mich selbst, zu meinem wahren Kern. Mit den paar Menschen, wo ich privat Kontakt habe, das ist sorgsam ausgewählt und da lausche ich voll und bin voller Interesse und Freude an meinem Gegenüber. Das ist ein Geben und Nehmen. Kein Aussaugen und keine Belastung.

 

Und in meinem Beruf, wo ich tagtäglich mit Menschen zu tun habe, denen es nicht gut geht, stelle ich mich als Person komplett in den Hintergrund um einfach nur dienend da sein zu dürfen. Selbst da kommen automatisch meine mit Natur prall gefüllten Photonen zum Ausdruck, bin ich überzeugt.

 

Was bitte ist eine geknüpfte Herbstgirlande? Das klingt wunderschön.

 

Thomas macht auch sehr viel Apfelmus und auch Birnenmus und Salbeisirup. Er verarbeitet die Früchte des Gartens und versorgt uns alle damit. Dafür bin ich sehr dankbar und wertschätze das zutiefst. Jetzt probiert er gerade das erste mal Hagebuttenmarmelade, meine Lieblingsmarmelade.

 

Momentan schlafe ich wieder hauptsächlich in Ebelsberg, da es im Wohnwagen leider zu kalt zum Schlafen wurde. Und ich komme mir vor, wie ein Vogel, der in einer Schachtel eingesperrt ist. Da hilft mir nun Kreativität, habe ich ganz neu bemerkt. Ich sammle Blätter, Blümchen, trockne sie, versuche sie zu skizzieren, malen, darüber etwas zu erfahren, tauche einfach auch auf diese Art und Weise in eine Welt der absoluten Perfektheit ein. Kreativität ist auch wie ein Prozess zu sich selbst, mach ich die Erfahrung.

 

Damit ich jeden Sommer – so wie heuer – so nah wie möglich in der Natur verbringen kann, habe ich mir nun selber so ein kleines Stückchen Grün auf dem Gelände am See gepachtet, wo ich heuer war und werde mir da einen eigenen Wohnwagen besorgen. Freunde von mir helfen mir bei der Suche und beim Ausbau/Einbau usw..

 

Mein Leben schmeckt wieder nach Abenteuer, nach Nichtwissen, nach Naturerfahrung, nach Wachstum und nach Lebendigkeit.

Wenn ich dachte, dass mein „vorheriger“ Zustand an der Beziehung zu Thomas lag, kann ich das nur heute so sagen, dass dies an mir selber lag. Ich habe in mir selbst vor lauter suchen etwas übersehen, das immer da war.

 

Es ist auch so, dass ich auf Wohnungssuche bin. Es gibt eine bestimmte Gegend, wo ich gerne hinmöchte. Es ist einfach ein inneres Gefühl, das mich leitet.

 

Und Thomas und ich sind friedlicher und wertschätzender denn je miteinander. Alle Erwartungen, die wir aneinander hatten, sind mit der räumlichen Trennung abgefallen. Wir sind freie Menschen und sehen uns klarer denn je, ist so meine Wahrnehmung.

 

Alles andere wird die Zeit mit sich bringen.

 

Ich möchte nun Zeilen aus deinem Brief hier wiederholen, weil sie so wichtig und wahr sind und dies auch meine Erfahrung ist:

 

„Ich bin von einer tiefen Dankbarkeit erfüllt.

Je mehr ich mich so fühle und mich glücklich schätze mit all diesen Segnungen, desto mehr geschieht es.

Es ist wundervoll genau zu dieser Zeit hier zu sein und angstfrei, im Vertrauen, dass alles gut ist, mit jedem Atemzug Liebe einzuatmen und Liebe auszuatmen.

Das ist eigentlich alles….“

 

In tiefer Dankbarkeit, Menschen wie dich in meinem Leben zu wissen, meine liebste Amadea.

 

In Liebe,

Margarete

Foto: das war heuer im Sommer mein „Homeoffice-place“

 

Was denkst du?