Margarete Hohner

SCHWESTERNBRIEF von Amadea vom 17.03.2020

5.04.2020 15:40 keine Kommentare

🌹SCHWESTERNBRIEFE
17. März 2020

Liebste Margarete,

Zur Zeit bin ich dabei mein Zimmer Schrägstrich Nähatelier aufzuräumen.
Da ich so lange im Bett lag, hat das überquellende Chaos mich bedrückt und ich habe mir vorgenommen, sobald es mir wieder besser geht, dies in Angriff zu nehmen.
Nun bin ich schon fast zwei Wochen am ausmisten.

Ich weiss, dass ich Material und Fülle um mich brauche, damit ich jederzeit, wenn ich eine Idee habe, diese umsetzen kann.
Bei uns herrscht überall Überfluss ( in dem Sinne, dass es überfliesst), sei es in der Küche, im Keller oder in meinem Raum.

Oft nehme ich mir nicht die Zeit, die Dinge sorgfältig zurück zu legen und so sind die Stoffe zwar nach Farbe geordnet, aber nicht schön zusammen gefaltet.
Jetzt habe ich alles Tuch rausgenommen , überstehende Schnipsel abgeschnitten ( diese klein geschnitten und für Kissenfüllungen verwendet), dann schön gefaltet und ordentlich in die Fächer gelegt.

Alles Bastelpapier, welches ich nun wirklich nicht mehr brauche, schenke ich der kleinen Freien Schule in La Chaux de Fonds.

Nun habe ich noch den grossen Restekorb zum aufräumen. Da schneide ich die kleinsten Schnipsel auch zu Füllmaterial und den Rest sortiere ich nach Farben, um Patchwork daraus zu machen.

Jetzt freue ich mich schon sehr auf den kreativen Teil…

Bin seit vier Tagen am Stoffreste sortieren. Mit einem Hörbuch eine angenehme Arbeit. Allerdings dachte ich, es würde schneller gehen. Ich denke, in ein, zwei Tagen bin ich damit durch.

Ich habe noch viele Karten und so werde ich wohl als erstes Motive wie Hühner, Hasen usw nähen und sie damit bekleben.

Durch die aktuelle Situation bin ich sehr, sehr dankbar, so viele Möglichkeiten zu haben, gestalterisch tätig zu sein.

Draussen ist es traumhaft schön!
Heute muss ich leider nach Biel, aber morgen werde ich im Wald Wildkräuter sammeln. Linus und ich haben schon lange einen komischen Hals und so werde ich jetzt Huflattich pflücken und uns Tee kochen.
Ausserdem kann man auch die Stängel als Gemüse zubereiten.
Da sind Linus und ich ja sehr experimentierfreudig.

Es gibt auch schon die ersten Löwenzahnblätter. Freue mich schon auf den Salat!
Meinen Bärlauch Platz möchte ich in den nächsten Tagen auch besuchen.

Zum Glück zeigt uns Mutter Erde wie wunderschön das Leben ist. Frühling ist einfach grossartig! Alles spriesst und sprosst und dieses unvergleichliche Grün, das es nur zu dieser Jahreszeit gibt erfüllt die Seele mit einem unbeschreiblichen Gefühl der Freude und Dankbarkeit.

Eigentlich wollte ich ja nichts zur aktuellen Lage sagen, doch es betrifft uns alle, ob wir auf den Panikzug aufspringen, oder nicht.

Ich sitze in der Bahn und es ist absolut still. Fast niemand ist unterwegs. Für mich eigentlich ein Glück, da ich es ruhig mag.

Aber es herrscht eine bedrückende Stimmung.

Ich weiss, dass es uns , die wir ruhig und besonnen sind, die wir wissen, dass alles immer und in jedem Augenblick richtig und gut ist, nun besonders braucht.
Einfach durch unsere Anwesenheit.

Die Energie halten….

Linus fragte gestern:“Was meinst du Mama, wird mal über diese Zeit in den Geschichtsbüchern stehen?“

Ich wünsche mir, dass dort geschrieben wird, die ganze Menschheit hat gefühlt , was wirklich wichtig ist.

Man hat sich auf die wahren Werte besonnen.

ZEIT HABEN für die Familie, Freunde, die Natur, das kreative Schöpfen, in welcher Form auch immer, das inne halten, die lange Weile und sich selbst.

So gehen wir mit unserm Beispiel voran und sind glücklich in Küche, Garten, am Schreibtisch, an der Nähmaschine, auf der Yogamatte, im Gespräch mit unseren Lieben und vor allem draussen im Wald.

Mir gefällt, dass in Venedig das Wasser klar ist, die Delfine, die Engel der Meere sich wieder nähern und die Menschen aus den Häusern einander zu singen.

Menschliche Seelen sind so erfinderisch.

Auch wenn die Grenzen geschlossen wurden, sind wir miteinander verbunden.
Ich bin voller Dank, dass es Internet gibt.

Ich umarme dich und wünsche dir viel Ruhe und Zeit im Wald.

Was denkst du?