Margarete Hohner

Schwesternbrief an Amadea vom 07.02.2020

7.02.2020 9:18 keine Kommentare

🌹 SCHWESTERNBRIEFE
07.02.2020
Guten Morgen, liebste Amadea!

Heute ist Freitag, meiner freier Tag.
Vor 5:00 Uhr wurde ich schon munter. Früher hat mich sowas immer geärgert, wenn ich an meinen freien Tagen so früh munter wurde, doch inzwischen genieße ich dieses Geschenk des frühen Morgens.
Es ist noch alles so ruhig, so finster, erst langsam erwacht alles, wird es heller und ich darf Zeuge davon sein.
Ich liebe es, diesem Prozess aktiv teilnehmen zu können, indem ich einfach nur wach bin.
Ich sitze noch im Bett während ich dir jetzt schreibe, mit heißem Zitronenwasser am Nachttisch.

Danke für deinen letzten Brief vom 28.01.

Ja, auch bei uns kann sich der Winter nicht wirklich entscheiden, zu kommen bzw. zu bleiben. Thomas und ich fuhren oft ins Mühlviertel, wo zumindest für einige Tage Schnee lag. Bei uns ist es meist nur mehr für Stunden.

Ich vertraue darauf, dass sich die Natur ganz von selbst neu ordnet.
Sie korrigiert immer wieder unsere Missetaten aus.
Und manchmal – wenn es stark stürm oder wettert, so dass Murenabgänge usw. passieren – tauchen Aussagen in mir auf wie „Siehst du Mensch, das hast du nun davon.“
Das was wir mit der Natur aufführen, kann einfach nicht ohne Folgen sein.

Ich erinnere mich gerade daran – vor Jahren an meinem damaligen Chef – der bei sich zu Hause ein Stückchen Wiese nach der anderen mit Kies zuschütten lies, weil es „ordentlicher“ war. Ich habe ihm damals einen Brief geschrieben, weil mich sowas wütend macht, es fühlte sich für mich wie Mord an und schrieb ihm, dass er sich in vielen Jahren noch wundern wird, welche Auswirkungen er mit nährt. Und hatte mit meiner Kündigung gerechnet, doch meine Wut war größer als meine Angst.
Er hatte sich jedoch bei mir bedankt, weil er nicht weiterdachte und ihm gefiel mein Mut. Ich arbeitete 11 Jahre dort.

Doch die Menschen ersetzen nach wie vor Wiesen mit Kies, lebende Zäune durch tote und fällen die Bäume um Betonplatten aufzulegen, da auf diesen betonierten Plätzen leichter Veranstaltungen gemacht werden können. Da kommt mehr Geld herein.

In unserem Ort kämpfe ich gerade für Bäume am Friedhof.
Dass Laub oder Vogelkacke ein Problem ist, finde ich sowas von traurig.

Um diesem Stadtgrünvergewaltigungsding zu entgehen, suche ich wieder und wieder die Natur auf. Ich spreche mit ihr, verbinde mich, empfange, tanke auf. Jedem einzelnen Blatt bin ich dankbar, an dessen ewigen Kreislauf die Zyklen und Farben des Lebens zu erkennen, mich zu erkennen, mein Innerstes zu spüren.

Die Natur ist (m)eine heilige Kathedrale.
Sie stärkt mich um in der Liebe bleiben zu können. Egal, was sie ihr antun, sie wächst immer wieder neu. Sie gibt und gibt.
Sie heilt und nährt.
Das wäre die Grundenergie von Natur.

Und der Mensch ist doch auch Natur, oder?
🌲🌳🌿😍

Ich bin auch eine Befürworterin des Grundeinkommens. Einfach weil ich sehe, dass es so wie es jetzt ist, nicht weitergehen kann.
Wer eine Arbeit hat, arbeitet sich oft krank und die wahren Begabungen und Talente gehen viel zu oft verloren.
Wahre Kreativität geht auf Kosten von immer erwartenden steigenden Gewinnzahlen verloren.

Letztens hast du geschrieben, dass du ein Exot bist mit deiner Strickarbeit .
Weißt du eigentlich, dass mich regelmäßig bei meiner Arbeit eine Frau besucht, die sich zu mir setzt und strickt, häckelt oder zeichnet?
Das hat sich mit der Zeit einfach von selbst so wundervoll ergeben.
Ihr fällt manchmal die Decke alleine zu Hause auf dem Kopf und ich habe gemerkt, wie gut mir das tut. Während ich viele Telefonate führe und Mails beantworte, sitzt sie da und strickt. Das beruhigt mich und holt mich immer wieder ins jetzt zurück, sobald auf sie blicke.
Eine Win Win Situation.
Das kann ich echt weiterempfehlen.

Es ist ein Geschenk, strickende, malende oder handschreibende Menschen an der Seite zu haben. Sie gleichen irgendetwas aus, das viel zu schnell in unsere Hektik verloren geht.

In jedem Unternehmen sollten sie solche Engel setzen.

Einmal die Woche findet ja jetzt in unseren Ordinationsräumen Yoga statt. Ich liebe es. Es ist eine sanfte Version, wo auch ich mitkomme. Was für eine Wohltat es ist, seinen Körper zu dehnen. Ich komme da so aus meinem Kopf raus, dass es mich direkt glücklich macht.

Langsam merke ich, wie meine Energien wieder in mir aktiver werden. Vermutlich wie in der Natur. Es kommt bald der Frühling. Es kribbelt wieder in mir. Und dennoch ist das Bedürfnis nach Rückzug und Ruhe nach wie vor da. Am liebsten gehe ich momentan immer noch alleine in der Natur. Deshalb habe ich auch meine Waldzeiten noch nicht ausgeschrieben. Ist das egoistisch? Ich möchte nichts mehr tun, das nicht wirklich meinem Herzen entspringt.

Etwas nicht zu tun, ist bei mir sofort immer mit Trägheit programmiert. Und Trägheit mit einer Sünde. Unglaublich, welche Prägungen mich noch so steuern. Bis in die tiefsten Zellen hinein.

Inzwischen ist es draußen hell geworden, ich höre in der Ferne schon die Autos fahren. Der Tag ist im Gange.

Ich werde jetzt dann meine Sportschuhe anziehen und „meine“ heilige Katherdale besuchen. Da kommt Freude in mir auf. Da juckt und ruft es mir.
🌲🌳🌿

Gratulation an Linus bestandene Prüfung! Freue mich auch, wenn er sich darüber freut!
Obwohl ich bei ihm das Bedürfnis habe, ihm noch mehr zu alle dem zu gratulieren, was er sich an unnötigen Prüfungen erspart hat in seiner Kindheit, dank dir, liebste Amadea Ehi!
Ich hab dich so lieb!

Ich umarme dich von Herzen und hab solche Sehnsucht dich bald zu sehen.

In Liebe, Deine Margarete

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