Margarete Hohner

15.11.21/ 19:09 Uhr

Abendseite

 

So, jetzt habe ich mal ein ordentliches Runderl geweint. So richtig herzhaft geheult habe ich.

 

Es ist einfach reinigend.

Wie es dazu kam?

 

Ich lauschte ABBA.

 

Die Musik dieser Band lief bei mir damals auf und ab, als sich in mir das Leben entwickelte. Ich wurde mit dieser Musik vom Teenager zur jungen Frau.

 

Ich war voller Feuer und Wollen, neugierig auf Entdeckungsreisen der jungen Welt und genoss es in vollen Zügen, tanzte und küsste, was das Zeug hielt.

 

Damals lebten auch noch alle meiner Familie, ich war noch gut behütet.

 

Mein heiliges Kinderzimmer hatte ich in eine kuschelige bunte Discokugel verwandelt und traf mich täglich mit Freundinnen und Freunden.

 

ZB Jedesmal, wenn eine neue Single (Platte) rauskam, traf ich mich mit ihnen in einem kleinen Geschäft im Ort, wo wir die Musik hören durften.

Das war mein erstes „Fortgehen“.

 

Das erste Schnuppern zur vermeintlichen großen Freiheit der Erwachsenen.

Vorfreude und Kribbeln auf Abenteuer Leben.

 

Musik war dabei immer eine wertvolle Begleitung.

 

Heute hört man alles gleich und sofort am Handy, meist alleine Zuhause oder irgendwo unterwegs.

 

Nichts gibt man mehr seinen Raum und seine Zeit.

Keine Vorfreude, kein zusammen entdecken, kein monatelanges immer wieder lauschen, weil heute im Moment alles fast zeitgleich auf 1000 Kanälen zu Tode gespielt wird.

Alles ist sofort massenhaft immer da.

 

Außer dieses Wollen, dieser Kitzel, diese Neugier und Lust auf das, was kommt.

 

Die ist irgendwo flöten gegangen. Auf einen anderen Stern.

 

Damals schaute ich mit dieser Musik nach vorne.

Heute schaue ich damit zurück, fühle und weine.

 

Eine Mischung aus Traurigkeit und großer

Dankbarkeit ist da in mir, weil es geil und für mich auch heil war.

 

Wie ist es heute?

Ich weiß es nicht.

 

Und solange ich mit diesem Nichtwissen sein kann, ist es absolut ok.

 

Nur manchmal sehne ich mich schon nach diesem Feuer der Entwicklung, das jetzt eher eine stetige Glut geworden ist.

 

Aber heiß bin ich noch allemal.

 

Danke, wer auch immer das liest.

 

Eure Margarete