Margarete Hohner

marga-zieht-um / Zeit des Loslassens 8.11. – 12.11.2020

17.11.2020 11:58 keine Kommentare

Eintrag von Sonntag, 8.11.2020

 

Noch sind keine Möbel in meinen neuen Wohnräumen.

 

Sitze jetzt gerade am Fensterbrett während ich heißen Tee trinke. Jeder Schluck wärmt mich von innen. Welche Wohltat.

 

Wenn ich so, wie die letzten Tage in der alten Wohnung ausräume, das Auto volllade und dann in den neuen Räumen einräume, passiert es schnell das etwas wie ein „Getrieben-sein,“ mich übernehmen möchte.

Das noch und das und das. Schnell und unbewusst.

 

Deshalb liebe ich Kerzen, die mich sofort zentrieren. Deshalb richte ich gerne kleine Herzens-Plätze des Innehaltens in meiner Sichtnähe.

 

Und während ich räume, werke und tue, fällt mein Blick immer wieder auf diesen „Herzplatz“. Oft genügt ein Blick und ein Atemzug in diese Richtung und ich erfahre Frieden im größten Tun.

 

Dann wieder setz ich mich zum Schluss bewusst davor, trinke Tee, so wie jetzt und staune über das Leben und Margarete mittendrin.

Bin dankbar. Fühle mich gesegnet. Stark und zart zugleich.

Die Kerze brennt auch in mir.

 

Weinen, Lachen, Traurigkeit und Glückseligkeit, alles ist da. Fast zugleich.

*****

 

Montag, 9.11.2020, 22:30 Uhr

 

Während die USA den nächsten Präsidenten gewählt hat, der 2.Corona-Lockdown läuft und Masken samt inneren und äußeren Nebel das Tagesbild dominieren, läuft mein Übersiedeln in die heiße Phase. Verrückt.

 

Heute mit Hilfe von 2 Engel mit echt starken Flügeln.

 

Es kommt mir oft vor, als ob alles nicht wahr wäre und ich irgendwann munter werde.

 

Manchmal – wenn mich eine starke Intensität übermannt – spüre ich das Klare, Frische dabei.

Dann wieder tauchen viele Fragen auf. Doch es geht alles so schnell, dass ich es gar nicht fassen kann.

 

„Es ist nicht relevant wie es mir geht, sondern dass was geht“, sagt es in mir.

 

Heute hat mich jemand gefragt, wie es mir geht – und ich hatte keine Ahnung wie und wo ich die Antwort darauf finden könnte.

„Ich lebe“ kann ich sagen.

Und das ist ja schon mal viel, finde ich.

 

Momentan ist nicht viel Zeit für Fragen und Denken. Da bin ich froh, wenn ich – abends nach der Arbeit – Tasche für Tasche in meinem zukünftigen „Reich“ ausräumen darf.

 

Spätabends – so wie jetzt – falle ich immer todmüde ins Bett. Ich mag das.

Vor allem den Moment, wo ich dann ganz tief sinke. Weich und Nichtwissend. Keine Fragen.

 

Morgen geht’s dann weiter, da kommt mein geliebter roter Sessel dran. Und was noch so mit will.

Mit Margarete, auf ihrer Reise.

 

Ich kann’s echt nicht glauben.

Kann mich bitte jemand wecken?

Oder auch nicht.

 

Gute Nacht, liebes Leben.

*****

 

 

Dienstag, 10.11.2020/ 22:20 Uhr

 

Merke immer mehr wie müder ich werde.

 

Ist grad nicht so fluffig. Ich nehm’s aber nicht persönlich.

 

Die alten Räume leeren sich und in den neuen Räumen herrscht noch Chaos, hat noch nichts seinen Platz.

 

Aber den bekommt jedes einzelne Stück noch, in Liebe.

 

Bald, Liebes, bald wird es wieder leichter.

 

Jetzt ist erst mal schlafen dran.

Gute Nacht.

*****

 

Mittwoch, 11.11.2020/ 19:20 Uhr

 

Heute habe ich die Bilder von den Wänden genommen. Die Wände sind nun leer. Weiß.

In ein paar Tagen wird es in diesem Raum äußerlich so sein, als ob ich nie da war.

Er wird neu und anders belebt werden.

 

Und das ist gut so.

Es ist die Zeit der Veränderungen.

 

Momentan habe ich das Gefühl, dass „es“ sich auf allen Ebenen gehörig zuspitzt, bis zum Crash.

Es stirbt das Alte, das was war.

Und danach kommt immer wieder was Neues.

Was auch immer das bedeutet, ich bin bereit.

 

Vor über 10 Jahren sind unsere Töchter aus diesen Räumen ausgezogen. Raus in die Welt um sich und die Welt neu zu entdecken.

Jetzt mache ich es ebenso.

Kann man das denn vergleichen? Ich bin doch so viel älter.

Yes, kann man, denn von 20 – 50 sind es genauso 30 Jahre Leben, wie von 54- 84, nur streb ich jetzt weder Karriere, noch Familie an, ich habe dies alles erleben dürfen.

 

Ich begib mich frei in Gottes Hand. Dankbar und gesättigt.

Mir fehlt es an nichts.

 

Noch nie stand ich so alleine da und zugleich waren noch nie so viele für mich da.

 

Jetzt bügle ich noch das letzte Mal hier in der „alten“ Wohnung, etwas das ich immer schon gerne gemacht habe.

 

Ich weiß nicht, will ich jetzt gerade die Zeit anhalten oder dass sie sich möglichst schnell bewegt.

Es liegt nicht an mir.

 

Aber in welcher inneren Ausrichtung ich genau diese Zeit erlebe, das liegt an mir.

 

Es möge Segen sein, wir schaffen das.

Ich glaube an das Gute.

*****

 

Donnerstag, 12.11.2020 / 19:40 Uhr

 

Endspurt

 

Heute, als ich nach der Arbeit nach Hause (in das bisherige) kam, fragte ich bei jedem Schritt zum Haus, beim Aufsperren der Haustüre, beim Raufgehen über die Stiegen und dann beim Aufsperren und Reingehen durch die Wohnungstüre „wie muss es sein, wenn du weißt, du hast nicht mehr lange zu leben?“

 

Mir kam der Gedanke wohl da her, da ich heute nach über 30 Jahren das letzte Mal hier schlafen und hier selber aufsperren werde.

Es ist ein wenig wie sterben.

Etwas geht für immer.

 

Und du kannst es nicht „besonders“ machen, es ist wie immer, Schlüssel nach rechts drehen, eintreten, fertig.

Türe auf, Türe zu. Fertig.

Und doch ist es besonders und anders als immer.

Für mich, in mir.

 

Ich bin dankbar für alles was da war.

 

Wohnungen und Häuser beherbergen so viele Geschichten. Freudvolle und schmerzliche.

 

Wellen von tiefen Schmerz und großer Vorfreude wechseln sich seit Wochen wehenartig in mir ab.

 

Es ist soweit.

Ich gehe. Ziehe weiter.

 

Heute schlafe ich die letzte Nacht hier.

Morgen Früh fahren 4 Männer mit 2 Bussen  Möbel von hier und woanders in mein neues Zuhause. Bin sehr dankbar, auch Thomas hilft mit.

 

Es ist gut so.

 

Vorhin war ich noch in der neuen Wohnung. Alles ist in die Ecke gestapelt und wartet auf seinen neuen Platz.

 

Meine liebe Vermieterin hat mir einen Weihnachsstern als Willkommensgruss geschenkt. So eine schöne Geste.

 

Ich kann die neue Wohnung schon spüren. Den Platz dort.

Das macht es mir leichter, zu gehen.

Es fällt mir nicht schwer, denn ich will es ja, aber es ziehen so viele alte Erinnerungen.

So muss wohl auch sterben ziehen.

 

Die alten Geschichten loslassen.

 

Es spielt jetzt keine Rolle mehr.

Umblättern und die neue Seite frisch beschreiben.

 

Eine meiner letzten Taten hier war jetzt noch für Adrian Palatschinken zu machen, ich hätte mir nichts Schöneres vorstellen können.

 

Morgen wechsle ich an einen anderen Ort.

Gute Nacht noch einmal von hier.

 

Halleluja und danke Gott.

 

In kompletten Vertrauen, Margarete

 

 

 

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