Margarete Hohner

Es macht was mit dir

17.04.2018 19:27 keine Kommentare

Ja, es macht was mit dir.
Es macht was mit dir zu bemerken, dass du nicht mehr alles so schnell kannst wie es schon mal war; oder dass – wenn jetzt ein Mann in deine Richtung zwinkert nicht mehr du, sondern die junge Frau hinter dir gemeint ist.

Es macht was mit dir, dass die Richtung in die du nun gehst schön langsam nicht mehr die ist, etwas aufzubauen und anzusammeln, sondern loszulassen, freizugeben.
Es macht was mit dir, keine Karriere mehr anzustreben sondern einfach zu tun was zu tun ist.
Es macht was mit dir, die Gewissheit zu haben, dass das Spiegelbild das dir täglich entgegenlacht, nun nicht mehr von einer durchtanzten Nacht kommt, sondern die permanente Realität ist und keine Creme der Welt diese Spuren komplett wegretuschieren wird.

Es macht was mit dir, dir bewusst zu sein dass der Satz „Wenn ich einmal…. dann…“ einen leicht bitteren Beigeschmack bekommt.
Denn sag, wann ist das „wenn ich einmal….?“

Es macht was mit dir, wenn plötzlich alle von der Pension zu sprechen beginnen.
Was ist Pension?

Ich sag dir, was das alles mit mir macht:
Lebendiger denn je.
Es ist wie es ist.
Das Leben komprimiert sich. Die Qualität verdichtet sich immens. Du verschwendest dich und deine Lebensstunden nicht mehr mit pipapo und faden Gesprächen.
Immer mehr inhalierst du den Augenblick der grad ist.
Du lernst mehr zu genießen und alles auszukosten.
Du umgibst dich nur mehr mit Menschen, die dir und der Welt gut tun.

Mein jugendliches attraktives Aussehen, ok, das hätte ich gerne schon noch länger behalten und zugleich ist es so unheimlich befreiend, nicht mehr gemeint zu sein, um schnell noch die Haare in die richtige Passform zu schütteln und die Lippen zu einem spitzen Lächeln formen zu müssen.

Meine Beweglichkeit und totale Schmerzfreiheit, ja, die hätte ich tatsächlich gerne bis zu meinem Lebensende, doch selbst dies bringt mich immer wieder zu einem Lächeln, weil es mich so einbremst und einem Typ wie mir eine Bremsung nicht wirklich schadet.

Es macht was mit mir, zu hören wie mir bekannte Menschen sterben. Sie sind doch noch Jugendliche, denke ich manchmal wenn ich sie jahrelang nicht sah.
Dabei sind wir keine Jugendlichen mehr.
Es sind schon zwei Generation nach uns nun am Start, gilt für Menschen meines Alters, über fünfzig.

Wann passiert es, dass du „alt“ wirst?
Wann ist der Zeitpunkt?
Wann beginnt der Prozess?
Was heißt und ist alt?
Ende der Gebährfähigkeit, Zeugungsfähigkeit?
Beginn der Wechseljahre?
Beginn der Hautveränderungen?
Ende der Berufstätigkeit?
Beginn der Gelenksbeschwerden?

Wir werden immer älter, an Jahren die wir auf dieser Erde verbringen.

Doch im Kopf, sag ich dir, merke ich keinen Verlust an folgender Dynamik:
Da ist nach wie vor so viel Freude und Glaube an das Gute drin.
Und die Bereitschaft meinen Teil dazu beizutragen.

Einzig und allein der Kinderwunsch ist endgültig abgeschlossen, hohe Berggipfel zu erklimmen war nie mein Traum und für alles andere bin ich noch weit offen.
Offener denn je.

Ja, es macht was mit mir:
demütiger und wertschätzender dir, mir und allen Momenten gegenüber die mir begegnen, zu sein.
Und das ist gut so.
Sehr gut.

Und jetzt geh ich schlafen, der Schlaf wird mir immer heiliger merke ich auch.

Gute Nacht, Liebste/r.

Was denkst du?