Margarete Hohner

22.03.2020 Auszeit – ich schreibe einfach mal

23.03.2020 0:24 keine Kommentare

22.03.2020/ 10:49 Uhr
Thomas und ich sind heute zum See gefahren um in der Natur spazieren zu gehen.
Kein einziges Auto auf der Straße. Spukig.

Am See ein paar Leute, ein Mann der flott walkte, maulte, als ich nicht sofort einen großen Bogen zur Seite machte.
Andere laufen vorbei, dass man schon Bedenken hat, dass Schweißtropfen zu einem selbst überschwappen.
Komisch ist das.

Die Natur blüht. Die Enten und Vögel sind alle am sich vermehren wollen. Evolution passiert immer.

Es ist arschkalt und die Sonne scheint.

Im Autoradio hören wir den Zukunftsforscher Matthias Horx und seinen Sohn reden.
Optimismus bekommt Gehör.
Und wird auch belächelt.
Wie ich das kenne.
Und zugleich freut es mich,
dass es uns gibt.

Die, die niemals den Glauben verlieren werden.
Auch nicht in Zeiten von Angst und großen Veränderungen.
Jetzt erst recht.

Gestern war Frühlingsbeginn fiel mir heute ein.
Es fühlt sich an, als ob grad mehr beginnt, als der Frühling.

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22.3.2020 / 17:07 Uhr
Bin noch immer am Sortieren und Ausmisten.
Lange habe ich Vieles zusammenkommen lassen.

Wozu hebe ich so viele Dinge auf?
In jedem Moment offenbart sich Neues.

Immer wieder tauche ich in alte Erinnerungen.

Ich schreibe diese Zeilen wohl mehr für mich selber.

So viele Unterlagen, so viel Papier, das ich nie wieder lesen werde.
Ich lerne vom täglichen Leben mehr als von alten Notizen.
Und ich fühle, dass es mir schwerfällt, loszulassen.

Eine kleine Vorahnung von Angst taucht auf.
Sie darf da sein.
Sie brennt in der Brust, wenn ich hinfühle.

Heute morgen sagte ich zu Thomas, es ist wie ein Traum und ich warte bis mich jemand weckt.
Wenn er von der wirtschaftlichen Zukunft redet, sage ich nur: Ich will nicht, dass jetzt und so jemand stirbt.

Und ich fülle jetzt einen Sack mit den alten Unterlagen, den ich demnächst verbrennen werde.

Zugleich mit dem Zulassen der Angst kommt etwas hoch, das sich lebendig anfühlt.

Es ist wohl meine Liebe zum Leben.

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22.03.20/22:24 Uhr
Da alle Messen in der Kirche abgesagt sind, bin ich bei einer what’s app Gruppe unserer Pfarre dabei, die täglich einen Impuls und Sonntags den Text der Messe zugeschickt bekommt.
Zu Hause die eigene heilige Messe feiern. Jetzt.

Draußen ist es stockfinster.
Hatte vorhin gelüftet, kalte klare Luft ist nun in dem Raum, in dem ich seit Stunden räume und sortiere.

Ich habe u.a. Holzstücke gefunden, die wir vor Jahren in Peru gekauft hatten.
Sie nennen es heiliges Holz der Inkas.
Zündete es vorhin an und ging damit durch den Raum.
Der Geruch erinnert mich an Lagerfeuer und trommeln und Beisammen sein.

Gutes das war und wieder sein wird.

Mein Körper fühlt sich an, als ob ich den ganzen Tag schwer gearbeitet hätte. Dabei habe ich nur „geräumt“. Doch es bewegt sich wohl grad mehr als meine Berge von Unterlagen.

Nun ist jedoch heilige Ruhe.
Ich sitze im roten Sessel.
Meine Messe.
Tief lauschen.
In die Kerze schauen.
Alles an Gefühlen darf da sein, was da sein will.

Mit akustischer Begleitung des heiligen Tinnitus Engelsgesang in meinen Ohren.

Die Welt ist das, war wir draus machen.

Gute Nacht. Bleibt gesund.

Was denkst du?